KRITIK - WANN DARAUF HÖREN UND WANN NICHT?

In vielen Fällen ist Kritik nützlich, doch auch hier können Neid sowie niedere Emotionen der Grund sein.

 

Wer kennt das nicht - ob im Berufsleben, im Familienleben oder im Freundeskreis: Menschen haben unterschiedliche Meinungen und nicht selten kommt es zu Kritik. Wann macht es Sinn, auf Kritik zu hören?

 

Gemäß dem Duden wird Kritik als die fachmännische, prüfende Beurteilung und deren Äußerung in den sprechenden Worten definiert. Ergo geht es bei der Kritik um die Beurteilung aus professioneller Sicht.

 

Wo ist jedoch die Grenze?

 

Kritik ist dann nicht mehr Kritik, wenn der Selbstwert einer anderen Person mit Hilfe von (scharfen) Worten attackiert wird. Ein Beispiel aus der Praxis ist: Zwei Freundinnen - eine davon ist finanziell reich - fahren gemeinsam in den Urlaub. Die vermögende Freundin hatte der ärmeren Frau den Urlaub bezahlt. Eines Abends - nach einem gemütlichen Wein - beginnt die mittellose Dame die wohlhabende Dame zu kritisieren. Ihre Kritik-Lust begründet sie damit, dass sie aus Liebe kritisiert und der wohlsituierten Frau nur das Beste wünscht. Doch ihre Kritik und ihre Worte schneiden sich in die Psyche der betuchten Dame wie ein Schwert hinein. So sagt die minderbemittelte Freundin, dass die Reiche keine altersgemäße Kleidung trägt, beim Essen schmatzt, Männern schöne Augen macht, das Geld eigentlich nicht verdient hat und eine miese Person ist. Außerdem wollte sie nicht für den Urlaub zahlen, weil dieser Aufenthalt eigentlich furchtbar war. Das Endresultat war, dass die finanzkräftige Dame eine Depression nach Ihrem Urlaub entwickelt hatte.

 

An diesem Beispiel ist erkennbar, dass das hinter der Kritik die eigenen unbewussten Komplexe stehen. Die arme Frau wollte sich nicht eingestehen, dass sie die reiche Dame in vielen Aspekten beneidet hatte. In vielen Fällen wird Kritik aus Neid artikuliert, um den Selbstwert eines anderen Individuums zu zerstören, Unsicherheit zu schüren und Selbstzweifel zu entfachen. Die Aussage " Ich kritisiere dich aus Liebe und Mitgefühl sowie Freundschaft" hat den Zweck, dass der Kritisierende keine Gegenkritik und Widerstand erfährt.

 

Persönliche Kritik kann auch gefährliche Züge annehmen. Ein Beispiel hierfür ist:

 

Ein Ehemann kritisierte permanent seine eigene Frau. Er sagte zu ihr, sie können nicht kochen, ziehe sich wie ein Teenager an und hat grundsätzlich an allem Schuld. Er trichterte ihr das so lange ein, bis sie allen Widerstand aufgab und sagte: "Ja, du hast Recht. Ich kann nichts, ich bin nichts." Ab diesem Zeitpunkt war die Ehe zwischen den beiden Partnern am Ende. Der Ehemann versuchte mit allen Mitteln, die Verbindung zu retten, schenkte ihr Blumen, sprach schöne Worte und nichts half.

 

Warum tat er das? Hinter der Kritik des Ehemanns steckten Unsicherheiten und tiefe emotionale Abgründe. Aus Angst, die Frau zu verlieren, wollte er ihr den kompletten Selbstwert wegnehmen. Seiner Logik zur Folge, würde sie ihn in einem gebrochenen psychischen Zustand nicht verlassen. Die Kritik in dieser Konstellation fungierte als ein Manipulationsmechanismus.

 

Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der Schriftsteller George Bernard Shaw. Er sagte zu seiner Gemahlin: "Dein Gesicht sieht aus wie ein Brotlaib, Charlotte. Du solltest dich weniger fotografieren lassen". Auch hier ist es giftige Kritik an der Person, denn die Charlotte hatte nun mal dieses Gesicht - es war ein Teil ihrer Person. Warum sagte er das zu seiner Ehefrau? Dies wird beim Studieren seines Lebens klar. Georges Bernard Shaw empfand tiefe Abneigung gegenüber emotional-körperlicher Nähe und bevorzugte briefliche Korrespondenz mit nahe stehenden Personen. Mit seiner Ehefrau verkehrte George Bernard Shaw auf sexueller Ebene nicht. Er wollte nicht eingestehen, dass er als Ehemann versagte. Es lag ihm nahe, die Unattraktivität seiner Ehefrau als Grund heranzuziehen, dass er kein Sexualleben hatte.

 

Diese drei Beispiele offenbarten in einer guten und verständlichen Art und Weise, wie Kritik für eigene Zwecke missbraucht werden kann. Kritik ist annehmbar im Rahmen von professioneller und sachlicher Beurteilung. In anderen Fällen ist es von großer Bedeutung, die Kritik ernsthaft zu hinterfragen. Denn häufig verstecken sich hinter Kritik die eigenen Unsicherheiten der Kritiker.

 

Ein Zitat von Giovanni Guareschi zum Abschluss: „Ein Kritiker ist eine Henne, die gackert, wenn andere legen.“

 

 

Photographie: twinlili  / pixelio.de